Hagelschaden: fiktive Abrechnung nach Gutachten?

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Hagelschlag aus heiterem Himmel! Dagegen ist kein Kraut gewachsen und man kommt mit seinem Auto schneller in eine solche Situation als man denkt. Was macht man aber nun mit diesem Hagelschaden? Wenn man einen Neuwagen fährt ist es besonders ärgerlich. Liegt der Hagelschaden über dem Restwert, was zahlt dann die Versicherung?
Guten Tag zusammen

Fragen zum Hagelschaden

Natürlich schießen einem sofort tausend Fragen durch den Kopf. „Hagelschaden, was soll ich machen?„, „Kann ich meinen Hagelschaden mit meiner Versicherung über eine fiktive Abrechnung auf Netto-Reparaturkostenbasis an mein Geld kommen?„, „Welchen Wertverlust habe ich bei meinem Auto durch den Hagelschaden?„.

Beispiel: Hagel in Bad Fredeberg im Schmallenberger Sauerland

Als am 10.06.2014 im Schmallenberger Sauerland ein Hagel auf Bad Fredeburg niederprasselte, zerschlug es nicht nur Lichtkuppeln und Dachhaut so mancher Schule. Auch die Autofahrer können ein Lied von den bis pflaumengroßen Hagelkörnern singen. Wenn Hagelkörner in dieser Größe vom Himmel fallen, gibt das sofort richtig große Dellen.

Wie geht es in so einem Fall nun weiter? Man bringt das Auto mit den Dellen zu dem Gutachter der Versicherung. Das Gutachten sagt dann zum Beispiel:

  • Wiederbeschaffungswert: 5500€
  • Reparaturkosten: 4360€
  • Restwert: 2100€

Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert

Zahlt die Versicherung etwa nur den Restwert? Überweist der Versicherer direkt die Reparaturkosten, auch wenn man gar nicht reparieren lassen möchte und das Auto lieber an den Schrotthändler verkäuft? Schreibt man dann seine Versicherung an, kann man schnell eine Überraschung erleben. Da kommt dann schon mal ein Angebot der Versicherung heraus wie das hier:

Wiederbeschaffungswert: 5500€
abzüglich Restwert 2100€
abzüglich Selbstbehalt 150€
——————————————
ergibt eine Zahlung in Höhe von 3250€

Das ist natürlich viel weniger als die Reparaturkosten eigentlich ausmachen. Das ist der Versicherung aber „egal“.

BGH-Urteil: Versicherung muss zahlen

Wer mit dieser Rechnung seiner Versicherung nicht einverstanden ist, kann nun anfangen, im Internet zu recherchieren. Man wird dann auch recht schnell fündig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 23.05.2006 (AZ: VI ZR 192/05) entschieden. Dabei unterscheidet der Bundesgerichtshof ob das verunfallte Fahrzeug innerhalb der nächsten sechs Monate weitergenutzt wird oder nicht.

Fall 1: man fährt das Auto trotz Hagelschaden sechs Monate lang weiter

In diesem Fall hat der Geschädigte dann Anspruch auf die Erstattung der Reparaturkosten, solange die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen. Einzige Bedingung: der Geschädigte muss seinen Pkw in den folgenden sechs Monaten weiternutzen und darf ihn in dieser Zeit nicht verkaufen.

Fall 2: man verkäuft das Auto samt Hagelschaden innerhalb von sechs Monaten

In diesem Fall, also wenn man den Pkw verkäuft, hat man nur Anspruch auf die Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes. Der Wiederbeschaffungsaufwand ist die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert.

Seit 01.08.2002: nur noch der Nettoschaden wird erstattet

Die fiktive Abrechnung der Reparaturkosten hat am 01.08.2002 eine Veränderung erfahren. Während man früher von der Versicherung den gesamten Rechnungsbetrag – also brutto, genauer: einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer von derzeit 19% – ausgezahlt bekam, sind es derzeit nur die Nettobeträge, also die Beträge ohne die Mehrwertsteuer. Das macht schon eine ganze Menge aus, nämlich etwa zwanzig Prozent.

Schreibt man nun seine Versicherung an und bittet um Überweisung des Betrags

Reparaturkosten 4360€
abzgl. Selbstbehalt 150€
————————
Erstattung 4210€

kann man oft eine neue Überraschung erleben. Viele Versicherer beziehen das BGH-Urteil nicht auf Kaskoschäden, sondern nur auf Haftpflichtschäden.

Wie ermittelt der Gutachter den Restwert?

Bei der Ermittlung des Restwerts greifen Gutachter oftmals auf Angebote von Aufkäufern zurück, die Unfallpkws aufkaufen und anderweitig verwerten. Viele der Aufkäufer haben auch Vereinbarungen mit Versicherern. Stattet man dem Gutachter nach all diesen Erlebnissen erneut einen Besuch ab und fragt nach dem Namen des Aufkäufers, welcher den Betrag des Restwerts für den eigenen Wagen zahlen würde – zum Beispiel weil man den Wagen an eben diesen Aufkäufer veräußern möchte – kann man oft erfahren, dass der Gutachter den Restwert gar nicht am Markt ermittelt sondern „selbst geschätzt“ hat. Fragen Sie beim Gutachter ruhig mal nach, Sie werden Ihre Freude haben!

Aufkäufer zahlt nur einen Bruchteil des Restwerts

Noch spannender wird es, wenn man Kontakt zu einem solchen Aufkäufer sucht und dann auf Befragung erfährt, dass dieser für das vom Hagel zerbeulte Auto mit Sicherheit keine 2100 Euro mehr zahlen würde, sondern nur einen Bruchteil des Restwerts zu zahlen bereit ist. Begeisterung macht sich im Magen breit.

Somit klafft die Lücke zwischen Wiederbeschaffungswert und dem am Markt zu erzielenden tatsächlichen Restwert noch weiter auseinander. Allerdings wäre die Versicherung nicht bereit diese größere Lücke zu schließen, sondern nur diejenige eben bis zum vom Gutachter genannten Restwert – der jedoch oftmals aus der Luft gegriffen erscheint, wie man hier sehen kann.

Fazit: den Fachanwalt befragen

Wie man sieht, wenden sich die Versicherer nach Kräften. Wer nun keine Lust hat, sich mit den geschulten Schönrednern der Versicherer herumzuschlagen, dem sei der Gang zum Fachanwalt empfohlen. Dieser kennt die einschlägigen Urteile und kann zu der optimalen Strategie raten.


Bildnachweis: © unsplash.com – Gabe Rodriguez

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