Milchsäuregärung: Ausgangsstoffe, Lebensmittel & Vorkommen

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1857 erforschte Louis Pasteur die Milchsäuregärung. Er entdeckte, dass die Mikroorganismen bei der Gärung ohne Sauerstoff leben, Energie produzieren und wachsen können und dass Sauerstoff hemmend wirkt. Auch bei anderen Arten der Gärung wurde nachgewiesen, dass Gärungsorganismen ohne Sauerstoff leben können. Diese Erkenntnisse waren sehr überraschend, da man damals davon ausging, dass alle Lebewesen Sauerstoff benötigen.

Milchsäuregärung: Definition

Während der Milchsäuregärung entsteht beim Abbau von  Kohlenhydraten zu Milchsäure der Energieträger Phosphat  (Adenosintriphosphat - ATP) (#1)

Während der Milchsäuregärung entsteht beim Abbau von Kohlenhydraten zu Milchsäure der Energieträger Phosphat (Adenosintriphosphat – ATP) (#1)

Unter Milchsäuregärung versteht man den unter Ausschluss von Sauerstoff ablaufenden Umbau von Kohlenhydraten zu Milchsäure. Dies geschieht durch sogenannte Milchsäurebakterien. Zum Zweck des eigenen Energiestoffwechsels bauen Milchsäurebakterien Kohlenhydrate zu Milchsäure ab. Währenddessen entsteht der universale Energieträger Phosphat (AdenosintriphosphatATP). All das läuft ohne Verbrauch von Sauerstoff ab. Milchsäurebakterien benötigen für ihren Stoffwechsel keinen Sauerstoff, können aber problemlos in einer sauerstoffhaltigen Umgebung überleben.

Milchsäuregärung bei Lebewesen

Neben der Haltbarmachung von Lebensmitteln spielt der Prozess der Milchsäuregärung im Energiestoffwechsel von Lebewesen eine entscheidende Rolle. Glucose und andere Monosaccharide (wie Pentosen und Hexosen) werden zu Milchsäure allein oder daneben noch zu anderen Endprodukten abgebaut. Es sind chemische Umsetzungen, die den Lebewesen zur Energiegewinnung dient.

Vor allem Milchsäurebakterien betreiben die Milchsäuregärungen. Bei Sauerstoffmangel kann aber auch in manchen Pilzen, Pflanzen und Tieren sowie beim Menschen Milchsäure aus Zuckern gebildet werden. Der Regelfall der Milchsäuregärung bei Tieren und dem Menschen ist jedoch die Energiegewinnung aus Glucose in zur Verstoffwechselung nicht oder eingeschränkt befähigten Muskelzellen.

Bei körperlicher Anstrengung, wie Sport oder schwere körperliche Arbeit, wenn die Sauerstoffversorgung des Muskels nicht mehr mit dem stark erhöhten Bedarf mithält, stellen sich die Zellen von aerober Zellatmung auf anaerobe Gärung um, Pentosen und Hexosen werden verarbeitet. Phosphat und Lactat (Milchsäure) sammelt sich im Muskel an. Muskelerschöpfung und Müdigkeit ergeben sich in der Folge. Diese individuelle anaerobe Schwelle kann durch einen Lactattest überprüft werden, der Auskunft über die Belastbarkeit gibt. Vor allem in Ruhephasen werden dann Lactat Moleküle durch das Blut abtransportiert und in der Leber zu Pyruvat umgewandelt.

Milchsäuregärung zur Konservierung von Lebensmitteln

Die Milchsäuregärung oder auch Fermentation, ist eine der ältesten Methoden der Konservierung von Lebensmitteln durch Vergärung. Die Produkte werden dabei ohne Luft durch Pilze oder Bakterien vergoren. Milchsäurebakterien verwandeln dabei Zucker in Milchsäure. Da bei diesem Vorgang keine Sauerstoffmoleküle in Berührung mit den Lebensmitteln kommen, sterben schädliche Mikroorganismen ab und nur nützliche Bakterien bleiben übrig. Die fermentierten Lebensmittel entwickeln dabei einen säuerlichen Geschmack. Die konservierten Produkte sind besonders gesund, da alle Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Darüber hinaus fördert die Milchsäure die Verdauung und reinigt den Darm, man spricht folglich auch von einer Veredlung der Lebensmittel, dazu später mehr.

Welche Produkte kommen für die Konservierung mit Milchsäuregärung infrage?

Spibat und Mangold widersetzen sich aufgrund ihres hohen Wassergehalts der Gärung. (#2)

Spibat und Mangold widersetzen sich aufgrund ihres hohen Wassergehalts der Gärung. (#2)

Der Begriff Milchsäuregärung legt nahe, dass in erster Linie Milchprodukte durch diese Gärungsart haltbar gemacht werden. Das stimmt allerdings nicht wirklich. Die Milchsäurebakterien sind in allen Lebewesen, also auch Pflanzen vorhanden. Sauermilchprodukte wie Kefir, Joghurt und Dickmilch erhalten ihre Säure tatsächlich durch die Milchsäuregärung, aber im Prinzip kann jeder in Lebensmitteln enthaltene Zucker zu Milchsäure vergoren werden. Jeder, der sich schon einmal mit Low Carb Ernährung auseinandergesetzt hat wird wissen, dass in eigentlich jedem Gemüse Glucose (Zucker) in stark unterschiedlichen Mengen enthalten ist. Dieser Zucker wandelt sich bei luftdichter Lagerung in Milchsäure. Lediglich Blattgemüse wie Spinat und Mangold haben, durch einen sehr hohen Anteil von Wasser, schlechtere Gäreigenschaften.

Natürlich könnte man auch Obst (mit sehr hohem Zuckeranteil) durch Milchsäuregärung konservieren, der dabei entstehende typische säuerliche Geschmack, würde allerdings nicht als angenehm empfunden. Zusätzliches Hindernis, Obst durch Milchsäuregärung zu konservieren, ist die Lagerung des zu vergärenden Produktes in Salzwasser, das der Konservierung bis zum Abschluss des Gärprozesses dient.

Milchsäuregärung konserviert das Gemüse nicht nur, es ist eine Art der Veredlung

Bei der Milchsäuregärung entstehen neben Acetylcholin auch Enzyme und Vitamine. (#3)

Bei der Milchsäuregärung entstehen neben Acetylcholin auch Enzyme und Vitamine. (#3)

Im Gegensatz zu anderen Arten der Konservierung, wie etwa der Pasteurisierung bei Konservendosen oder beim klassischen Einwecken, werden bei der Fermentierung die enthaltenen Keime nicht durch hohe Hitze abgetötet. Es findet keine Erhitzung der Lebensmittel statt. Die Erhitzung ist nämlich nicht nur der Tod der Keime, sondern auch aller Vitamine, Proteine und Vitalstoffe, sie werden bei der Milchsäuregärung folglich erhalten. Ganz im Gegenteil, es bilden sich im Gärungsprozess sogar zusätzlich ernährungsphysiologisch wertvolle Stoffe. Neue Substanzen wie Acetylcholin, einige Enzyme, Vitamin C sowie in geringen Mengen Vitamin B12. Das Vitamin B12 kommt sonst nur in tierischen Lebensmitteln vor, somit ist Milchsaures vor allem für Vegetarier und strenge Veganer eine sehr wichtige Nährstoffquelle.

Dass die Milchsäuregärung eine Art Veredelungsprozess ist, haben unzählige wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt. Die Mikroorganismen reduzieren pathogene Keime im Verdauungstrakt und fördern das Wachstum einer gesunden Darmflora. So gilt zum Beispiel der Klassiker der milchsauer vergorenen Lebensmittel, das Sauerkraut, als hervorragende Vorbeugung gegen Verstopfung. Volkstümlich ausgedrückt spricht man davon, milchsaures Gemüse würde „den Darm durchputzen“ oder sei ein „Besen im Darm“.

Umstritten ist, ob die Milchsäurebakterien auch Darmkrebs verhindern können. Es gibt unzählige Abhandlungen über rechts- und linksdrehende Milchsäurebakterien und ihre angenommene Wirkung auf den menschlichen Organismus. Im menschlichen Körper herrschen die rechtsdrehenden Milchsäuren vor und sie können erheblich schneller verstoffwechselt werden, darum nimmt man einen gesundheitlichen Nutzen an. Es gibt hierfür keinen wissenschaftlichen Beweis.

Erwiesen ist lediglich, das pathogene Bakterien im Darm eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Entzündungen spielen. Milchsäurebakterien drängen die Bakterien des pathogenen Spektrums zurück. Es ist also durchaus im Bereich des Möglichen, dass regelmäßiger Verzehr von milchsauer vergorenen Speisen prophylaktischen Nutzen gegen Darmkrebs hat. Schon in den 60er Jahren entwickelte der Arzt Dr. Johannes Kuhl eine Milchsäure Diät, die „Kuhl-Schutzkost“ – sie wird Menschen mit verschiedenen Krebserkrankungen empfohlen. Im Tumorzentrum München gibt es eine eigene Abteilung für Ernährungsberatung, wo auch über die oben genannte Kuhl-Schutzkost beraten wird.

Tumorzentrum München
Pettenkoferstraße 8A
80337 München

Tel: +49 89 440052238
Web: www.tumorzentrum-muenchen.de

Die bei der Gärung entstehende Milchsäure ist eine schwache organische Säure, die im Gegensatz zu Essig oder Alkohol leicht im menschlichen Stoffwechsel verarbeitet werden kann und dort nicht säurebildend wirkt.

Auch einem anderen, vor allem bei Frauen, weit verbreiteten Gesundheitsproblem, kann mit milchsaurem Gemüse begegnet werden. Dem Eisenmangel. Die Bioverfügbarkeit von Eisen ist durch die Milchsäurebakterien deutlich erhöht.

Milchsäuregärung als Konservierung: wie macht man das?

Die Gärung verläuft in drei verschiedenen Abschnitten.

  • ⇒ Erste Phase
    In der ersten Phase sind verschiedene Bakterienstämme daran beteiligt. Die Moleküle verbrauchen den mit der Luft eingebrachten Sauerstoff und produzieren verschiedene Gase, die zu Schaumbildung führen. Die Gärgefäße sollten daher niemals bis zum Rand gefüllt werden. Während der ersten Phase stellt man das Gärgefäß am besten in die Küche oder einen anderen warmen Raum – ähnlich der Zubereitung von Hefeteig. Temperaturen von 20 bis 25 °C sind absolut ideal. Nach 5 bis höchstens 7 Tagen setzen sich die erwünschten Milchsäurebakterien durch und es kommt zur Säuerung und Ausprägung des typisch säuerlichen Geschmacks. Nach dieser ersten Gärphase sollten die Gefäße auf jeden Fall lichtgeschützt stehen. Absolut ideal ist ein dunkler, kühler Kellerraum oder die Abdeckung mit einem Karton.
  • ⇒ Zweite Phase
    Der zweite Abschnitt der Gärung verläuft bei ca. 15 Grad optimal. Die zweite Phase dauert in etwa zwei Wochen, sollte das Gärgefäß kälter stehen, verlängert sich der Prozess um ein bis zwei Wochen.
  • ⇒ Dritte Phase
    Richtig kalt stellt man das Gefäß anschließend für ungefähr drei Wochen. (Temperaturen zwischen 0 und 10 Grad werden empfohlen) Die Gärung ist nach etwa 6 Wochen abgeschlossen. Es steigen keine weiteren Bläschen mehr auf und das Gemüse schmeckt säuerlich.

Produkte aus Milchsäuregärung

Bekannte Produkte die durch Milchsäuregärung entstehen

  • Sauerkraut

    Der Klassiker der deutschen Küche ist durch Milchsäuregärung konservierter Weißkohl oder Spitzkohl und wird meist gekocht als Beilage gegessen

  • Kefir

    stammt ursprünglich aus dem regionalen Spektrum des Kaukasus und wird mit Milchsäurebakterien und Hefen vergoren

  • Dickmilch

    ist durch die Gärung geronnene Rohmilch

  • Sauerteig

    ist ein durch Milchsäurebakterien und Hefen (alkoholische Gärung) in Gärung gehaltener Teig. Das dabei entstehende Kohlenstoffoxid lockert vor allem Brotteig häufig auf

  • Kimchi

    in Korea ist dieses sauer vergorene Gemüse fester Bestandteil jeder Mahlzeit. Jede Familie bereitet ihr Kimchi nach eigenem Rezept

  • Tsukemono

    auch in der japanischen Küche gibt es gegorenes, saures Gemüse zu jeder Mahlzeit

  • Salzgurken

    werden nicht erhitzt, sondern die Konservierung wird durch Milchsäuregärung erreicht

  • Joghurt

    ist fermentierte Milch. Man geht davon aus, dass nomadische Viehzüchter 10.000 v Christus in Asien zufällig den ersten Joghurt herstellten, indem sie versehentlich Milch in der Sonne stehen ließen, die dann zu Joghurt fermentierte

  • Griechische Oliven

    werden häufig zur Konservierung vergoren

  • Sauerbier

    war früher so berühmt, dass es sogar eine Redewendung danach gibt. „Etwas anbieten wie Sauerbier“. Die berühmte Berliner Weiße ist zum Beispiel so ein Bier, das mit Milchsäuregärung reift.

Tierfutter haltbar machen: ein weiterer Anwendungsbereich

Die Milchsäuregärung unterstützt bei der Herstellung von Silage (Silofutter oder Gärfutter) und ermöglicht so die Fütterung von Vieh im Winter. (#4)

Die Milchsäuregärung unterstützt bei der Herstellung von Silage (Silofutter oder Gärfutter) und ermöglicht so die Fütterung von Vieh im Winter. (#4)

Das Nahrungsangebot für Nutztiere war, vor der industriellen Produktion von Kraftfutter, im Winter sehr begrenzt. Weil die Bauern nicht ihr wertvolles Korn an die Kühe verfüttern wollten, mussten sie sich etwas ausdenken, um Grünfutter haltbar zu machen. Auch hier bot der Prozess der Milchsäuregärung eine relativ einfache Lösung des Problems.

Das Grünfutter, das im Sommer auf den Feldern geerntet wird, kann im Silo durch Milchsäuregärung haltbar gemacht werden und dient als Silofutter den ganzen Winter zur Ernährung des Viehs. Die Silage, auch Silofutter oder Gärfutter genannt, ist ein durch Milchsäuregärung konserviertes Futtermittel für Nutztiere, vor allem für Wiederkäuer, da sie durch die Fermentation der Nahrung im Pansen auch in der Lage sind, Strukturkohlenhydrate zu verdauen.

Heute werden aber auch nachwachsende Rohstoffe, die als Energiequelle in Biogasanlagen dienen, durch Silierung haltbar gemacht. Silage werden können grundsätzlich alle Grünfuttermittel, unter anderem

  • Gras (Grassilage),
  • Mais (Maissilage),
  • Ackerbohnen,
  • Klee oder
  • Getreide (das als komplette Pflanze siliert wird).

Sogar vermahlenes und mit Wasser zu Brei vermischtes Korn aus Getreide oder Rübenblätter dienen als Silage.

Die Gärung im Silo ist ein relativ unproblematischer Vorgang, lediglich die Feuchtigkeit im Ausgangsprodukt muss empfindlich genau beachtet werden. Ist das Grünfutter zu feucht, bildet sich Schimmel, bevor die Bakterien alle Keime fressen konnten. Ist das Grünfutter zu trocken, kann es nur sehr schlecht luftdicht gelagert werden. Zwischen den trockenen Halmen, die sich verhaken können, entstehen Luftnester. Die Silage verdirbt durch den Sauerstoff, bevor die Fermentierung abgeschlossen ist.


Bildnachweis: © shutterstock – Titelbild Baloncici, #1 Juan Gaertner, #2 virtu studio, #3 Zerbor, #4 BELINDA SULLIVAN

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