Gemeinnützigkeitsrecht auf dem Prüfstand!

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Eine repräsentative Studie zum Gemeinnützigkeitsrecht hat Aufsehen erregt: Je nachdem, welches Finanzamt für die Bearbeitung zuständig ist, liegt die Anerkennungsquote bei nur rund 50 Prozent. Diese Rechtsunsicherheit muss enden, meinen die Verbände.

Finanzamtsstudie zum Gemeinnützigkeitsrecht zeigt keine einheitlichen Entscheidungen

Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ ist ein Zusammenschluss von mehr als 80 Vereinen und Stiftungen, die gemeinsam mit der Otto Brenner Stiftung der Frage nachging, wie die Maßstäbe für eine gemeinnützige Anerkennung bei den verschiedenen Finanzämtern angelegt werden. Dabei wurde ein Großteil aller Finanzämter angeschrieben, um die Voraussetzungen für die Anerkennung von Satzungen nach dem Gemeinnützigkeitsrecht zu prüfen. Alle erhielten identische Satzungen, doch das Ergebnis war wenig einheitlich: Etwa die Hälfte der Antworten fiel positiv aus, die andere Hälfte nicht. So gesehen gleicht die gemeinnützige Anerkennung einer Stiftung oder eines Vereins einem Roulettespiel, denn es scheint Glückssache zu sein, bei welchem Finanzbeamten man Gehör findet und bei welchem nicht.

Dieses Ergebnis ist besorgniserregend und frustrierend für alle, die einen gemeinnützigen Verein gründen möchten, denn wenn schon die Gründung auf derartige Schwierigkeiten stößt, ist der Sinn und Zweck des Gemeinnützigkeitsrechts auf den Kopf gestellt. Eigentlich soll es dazu dienen, zivilrechtliches Engagement steuerrechtlich zu fördern und rechtlich zu sichern. Daher fordern die Verbände, die die Studie durchgeführt haben, nun eine deutliche und schnelle Reaktion der Politik.

Video: Imagefilm der Otto Brenner Stiftung

Die Politik ist gefragt, das Gemeinnützigkeitsrecht zu verbessern

Tatsächlich haben die Parteien der Regierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das Gemeinnützigkeitsrecht zu verbessern und zu entbürokratisieren. Die SPD versprach in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 sogar, das Gesetz den Anforderungen an zivilgesellschaftliche Organisationen anzupassen. Was letztlich dabei herauskommen wird, steht jedoch in den Sternen. Doch was sagt die Studie eigentlich genau aus? Werfen wir einen Blick darauf. Für die Studie wurden von den Testern drei Vereine erdacht, die politische Einflussnahme zur Förderung der Allgemeinheit zum Ziel haben. Die jeweiligen Satzungen wurden an jeweils ein Drittel der zuständigen Finanzämter gesendet.

Geprüft werden sollten die Voraussetzungen für die Anerkennung nach dem Gemeinnützigkeitsrecht. Die Studie konnte jedoch nicht vollständig durchgeführt werden, da nach Eingang von 166 Antworten das Bundesfinanzministerium Wind von der Sache bekam und Weisung erging, die Anfragen nicht mehr zu bearbeiten. Bis dahin ergab sich jedoch ein deutliches Bild, das anhand der eingegangenen Stellungnahmen auch als repräsentativ gelten kann.

Farbiges Deutschland: Verein, der sich gegen die Diskriminierung von Bürgern und Bürgerinnen einsetzt, die aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt werden. (#02)

Farbiges Deutschland: Verein, der sich gegen die Diskriminierung von Bürgern und Bürgerinnen einsetzt, die aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt werden. (#02)

 

Bei den drei fiktiven Vereinen, die den steuerbegünstigten Status nach dem Gemeinnützigkeitsrecht haben wollten, handelte es sich um Organisationen, die unter den folgenden Bezeichnungen auftraten:

  • Musik ist Leitkultur: Verein zur Förderung von Kunst und Kultur, langfristiges Ziel ist ein Bundesgesetz zur Finanzierung von Musikschulen
  • Europäische Demokraten: Ein Verein, der sich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzt und die EU nach dem föderalen Vorbild der Bundesrepublik Deutschland umgestalten möchte
  • Farbiges Deutschland: Verein, der sich gegen die Diskriminierung von Bürgern und Bürgerinnen einsetzt, die aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt werden.

Von insgesamt 166 Antworten, die von den Finanzämtern verschickt wurden, fielen 89 Antworten positiv aus. Das entspricht einer Anerkennungsquote von 54 Prozent. Auf die verschiedenen Vereine bezogen, erhielt der Verein „Farbiges Deutschland“ mit 42 Prozent (entspricht 22 Zusagen) die niedrigste Anerkennungsquote. Es folgt mit 48 Prozent (29 Zusagen) „Musik ist Leitkultur“ und mit immerhin 70 Prozent (38 Zusagen) schneidet der Verein „Europäische Demokraten“ am besten ab. Bei den Begründungen für die Ablehnungen waren sich die Finanzämter nicht einig, was insofern nicht überrascht, als die Abgabenordnung und der Anwendungserlass in Sachen Gemeinnützigkeitsrecht alles andere als einheitlich sind.

Die Verbände, welche die Studie durchgeführt haben, gehen davon aus, dass eine eindeutigere Erlasslage und die Vereinheitlichung der Abgabenordnung zu einer 90-prozentigen Übereinstimmung der Entscheidungen von Finanzämtern führen würde. Die genauen Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Studie kann man in einem Arbeitspapier des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) nachlesen (Link: http://www.b-b-e.de/fileadmin/inhalte/PDF/publikationen/bbe-reihe-arbeitspapiere-005.pdf/ ).

Video: Kölner Tage Gemeinnützigkeitsrecht – Informationen und Erfahrungsaustausch auf höchstem Niveau

Hürden bei der satzungsmäßigen Anerkennung können verunsichern

Die an der Studie beteiligten Verbände kritisieren vor allem, dass durch die Unterschiede bei den Entscheidungen der Finanzämter eine große Rechtsunsicherheit entsteht. Doch worum geht es eigentlich genau beim Gemeinnützigkeitsrecht? Sinn und Zweck ist es, steuerbegünstigten Vereinen, Stiftungen und ähnlichen Organisationen das zivilgesellschaftliche Engagement zu erleichtern. Maßgeblich für die Anerkennung ist unter anderem die Satzung eines Vereins, über deren Tauglichkeit für die Gemeinnützigkeit das Finanzamt entscheiden muss.

Klar ist, dass nicht jeder diesen Status bekommen kann, denn wer keine gemeinnützigen Zwecke verfolgt, muss seine Einnahmen ganz normal nach den üblichen Rechtsvorschriften versteuern. Ob solche Zwecke vorliegen, entscheidet am Ende der Finanzbeamte, der mit der Prüfung des Falls betraut ist. Häufig sind Vereine mit dem Schreiben einer passenden Satzung überfordert, weil sie sich aus Menschen zusammensetzen, die vor allem ein besonderes zivilgesellschaftliches Anliegen haben und sich im Gemeinnützigkeitsrecht nicht sonderlich gut auskennen. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einzuschalten, kann Sinn machen, bevor man dem Finanzamt einen Antrag auf Anerkennung übermittelt. Die Beauftragung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist allerdings mit Kosten verbunden, die sich vor allem kleinere Vereine kaum leisten können.

Es sollte auch eigentlich Sache der Finanzbehörden sein, Bürger beim Verfolgen des zivilgesellschaftlichen Engagements zu unterstützen. Nach Vorlage der Finanzamtsstudie scheint es aber eher so zu sein, dass jedes Finanzamt nach eigenen Vorstellungen die Rechtsvorschriften zur Gemeinnützigkeit anwendet. Je nach Wohnort kann es also vom Zufall abhängen, ob man mit der satzungsmäßigen Definition der gemeinnützigen Vereinstätigkeit anerkannt wird oder nicht. Für die Vereine und Stiftungen ist es aber ungemein wichtig, durch die Vorteile der Anerkennung entlastet zu werden. Steuerbegünstigten Organisationen stehen häufig die Wege zu staatlichen und privaten Fördermitteln offen und auch die Beschäftigung von Mitarbeitern ist in großem Maße (zumindest steuerlich gesehen) von der Anerkennung nach dem Gemeinnützigkeitsrecht abhängig.

Video: Gemeinnützigkeitsrecht – 14.07.2016 – 80. Plenarsitzung

Forderungen an die Politik

Der Autor der Finanzamtsstudie, Stefan Diefenbach-Trommer, der gleichzeitig der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ vorsteht, verlangt von der Politik und der Gesellschaft, nicht nur von Demokratieförderung und vom Engagement für Grundwerte zu reden, sondern es den Bürgern auch deutlich einfacher zu machen, sich zu engagieren. Während die Politiker regelmäßig dazu aufriefen, sich politisch für die Demokratie und das Gemeinwohl einzusetzen, stünden ebendiesem Engagement oft sehr hohe gesetzliche Hürden entgegen. Es sei Aufgabe des Bundestags als Gesetzgeber, diesen Widerspruch für gemeinnützige Organisationen möglichst schnell aufzulösen. Hierfür sei eine klare und deutliche Abgabenordnung notwendig, die den Finanzämtern eindeutige Entscheidungsgrundlagen liefere, so Diefenbach-Trommer.

Die Finanzbeamten erhielten dadurch mehr Klarheit und viele Abläufe könnten beschleunigt werden. Darüber hinaus würden zahllose Initiativen nicht gleich bei der Gründung durch rechtliche Hürden ausgebremst. Die Auswirkungen auf die Motivation von Menschen, die sich auf diese Weise vom Staat alleine gelassen fühlen, sollte nicht unterschätzt werden. Tatsächlich gibt es laut Diefenbach-Trommer viele Menschen, die dazu bereit sind, sich selbstlos politisch zu engagieren – auch außerhalb der Parteien. Dieses Engagement durch einen klaren Rechtsrahmen anzuerkennen, müsse die neue Bundesregierung zügig umsetzen, so die Forderung.

Die Regeln dazu, wer gemeinnützig arbeitet und wer nicht, sollten aber nicht von jedem Finanzamt separat interpretiert werden können, sondern nach klaren Vorgaben des Gesetzgebers (also des Parlaments) gestaltet sein.(#01)

Die Regeln dazu, wer gemeinnützig arbeitet und wer nicht, sollten aber nicht von jedem Finanzamt separat interpretiert werden können, sondern nach klaren Vorgaben des Gesetzgebers (also des Parlaments) gestaltet sein.(#01)

Die Regeln zur Gemeinnützigkeit müssen klar definiert sein

Tatsächlich werden immer wieder Fälle von Initiativen bekannt, die dem gesunden Menschenverstand zufolge selbstverständlich gemeinnützig sind, von den Finanzämtern aber nicht anerkannt werden. Gleichwohl bleibt es wichtig, die Voraussetzungen in klare Regeln zu fassen, darüber herrscht auch bei den Betreibern der Studie keinerlei Zweifel. Schließlich muss verhindert werden, dass zwielichtige Organisationen unter dem Deckmantel der gemeinnützigen Arbeit ihre Einnahmen nicht versteuern und eigene Süppchen kochen, die manchmal sogar das Gegenteil dessen darstellen, was vom Gesetzgeber gewollt ist.

Die Regeln dazu, wer gemeinnützig arbeitet und wer nicht, sollten aber nicht von jedem Finanzamt separat interpretiert werden können, sondern nach klaren Vorgaben des Gesetzgebers (also des Parlaments) gestaltet sein. Ansonsten macht sich eine ungute Rechtsunsicherheit breit, bei der die Menschen den Glauben in den Sinn des zivilgesellschaftlichen Engagements verlieren könnten.


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